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Autobahnen, Farbpigmente & Computer

In Leben on November 5, 2009 at 15:59

Sonntagmorgen in der Dusche, blaue Tinte auf dem Arm, die man versucht abzureiben, wer kennt das nicht? Aber welcher normale Jugendliche denkt dabei, noch betrunken, an Auschwitz? Ich, jedes Mal.

Mucha - Tanz

Morgen lasse ich mich tätowieren, groß, den halben Rücken voll, bis meine Haut nicht mehr kann, blutend die Farbe abstößt. Insgesamt drei Sitzungen, in denen mir ein Mucha unter die Haut gebracht wird. Ich liebe Mucha, liebe Jugendstil, weiß auch, dass mich mein Tattoo immer an etwas Gutes erinnern wird, selbst wenn ich das Motiv nicht mehr mag. Der Tätowierer ist einer der Besten, das ganze wird ein Kunstwerk, und trotzdem sträubt sich etwas in mir: Mein Großvater ist mit seinem Tattoo auf dem Arm im KZ verreckt.

Ist das ein Problem? Eigentlich nicht – und doch. Ich würde mir ja auch keinen Judenstern auf die Jacke nähen. Das Elend von so vielen Leuten als Modeaccessoire tragen kann ich, will ich nicht. Aber mache ich mit dem Tattoo dasselbe? Die Idee ist doch absurd – klar, wenn es eine Nummer auf dem Arm wäre, in blauer Tinte – aber ich mache mir diese Gedanken, und weiß nicht warum. Ich überlege ja auch nicht, ob ich auf der Autobahn fahren soll, oder nicht. Vielleicht ist das meine Art zu gedenken. Vielleicht ist es noch vielmehr meine Art dem zu gedenken, weil ich es trotzdem mache. Aber vielleicht vergesse ich damit auch, überschreibe mein Gedächtnis und damit auch die Geschichte, die ja nur in unseren Köpfen lebt. Wie ein Computer, der die gelöschten Daten, die trotzdem noch auf seiner Platte, will sagen: in seiner Erinnerung, vorhanden sind vernichtet, wenn er sie überschreibt. Davor habe ich Angst.

Aber der Termin steht, ich habe entschieden, dass ich beides kann, mit dem Kopf nach hinten gerichtet nach vorne schreiten. Der Klaps auf den Hinterkopf, den ich mir dabei hole, morgens in der Dusche, am Wochenende, bleibt.